Von Bots und Menschen


Wie kommen frische, verständliche und menschliche Texte eigentlich zustande?
Die Amplitude der Ideen dazu ist erstaunlich.
Die einen möchten – nachdem der Senior endlich in den Ruhestand gegangen ist - erst einmal den steifen, schriftdeutschen und unpräzisen Nominalstil loswerden. Und können es gar nicht abwarten, endlich selbst loszulegen. Hier gilt es, die Kreativität in die richtigen Bahnen zu lenken.
Andere dagegen fragen sich: Kann das nicht auch eine Künstliche Intelligenz? Brauchen wir wirklich noch so viele Menschen für unseren schriftlichen Service? Sind das nicht ganz sinnvolle Sätze, die die Maschine da produziert hat?
Und in der Tat: Sie blinken schon verführerisch, die fleißigen Helfer aus der AI-Ecke.

Was können Bots also?

  • Wer Angst vor dem berüchtigten weißen Blatt Papier (oder dem leeren Word-Dokument) hat, kann tatsächlich erst einmal den Bot bitten, das Brainstorming zu übernehmen. Dazu zum Beispiel einfach Chat GBT mit einer „Instruction“ füttern – und eine erste Version kommt umgehend zurück. Man könnte argumentieren, dass der Weg zum eigenen Text nicht mehr weit ist, wenn schon Ideen für Instructions vorliegen – aber das sehen nicht alle so.
  • Auch im weiteren Schreibprozess kann ein intelligentes System weiterhelfen, wenn das eigene Hirn gerade in Sachen Kreativität streikt. Eine sinnvolle Hilfe bietet zum Beispiel DeepL Write. Einfach den Satz oder den Abschnitt, an dem es nicht weitergehen will, eingeben – und schon spuckt das Tool Alternativvorschläge aus. Auch hier wird es ohne das eigene Urteilsvermögen und Stilgefühl nicht gehen, aber das ist tatsächlich erst einmal eine Hilfe.

Und dann? Was können Bots nicht?

  • Die Textvorschläge sind ok. Brauchbar. Aber nicht schön. Wenn der Text gut werden soll – und das soll er doch, oder? – braucht er noch ein bisschen Liebe. Eine persönliche Note. Eine eigene Idee.
  • Denken. Die Systeme sind - anders als der Name suggeriert - nicht "intelligent". Sie fügen Textbausteine nach dem Gesetz der Wahrscheinlichkeit aneinander - so kommen meistens erwartbare und grundsätzlich plausible Sätze zusammen, aber keine neuen Gedanken und Lösungen.
  • Transparenz. Woher die verarbeiteten Informationen stammen, das wissen wir nicht.
    Der Algorithmus ist eine Black Box.  
  • Emotionen. Die sind für uns Menschen reserviert. Wir alle wissen spätestens seit dem beleidigten Computer HAL aus „A Space Odyssey“, dass das auch gut so ist.
  • Empathie. Wenn es um Korrespondenz geht, ist das das Wichtigste. Denn sehr häufig antworten wir auf etwas. Oder wollen jemanden für etwas gewinnen. Empathie bedeutet, sich in einen anderen Menschen hineinversetzen zu können – und das dann auch zu zeigen. Ein Bot wird vielleicht die richtigen Worte, die Mitgefühl, Verständnis und Augenhöhe transportieren, einsetzen. Passgenaue Ideen sind auch noch denkbar. Aber bei der authentischen Menschlichkeit - die sich vor allem zwischen den Zeilen zeigt - hört es auf.
  • Zwischentöne, Ironie, Humor ganz allgemein. Ein ohnehin schon schwieriges Feld, weil nun einmal nicht alle gleich ticken. Hier wird das Eis zu dünn für künstliche Intelligenz.

Es ist also eigentlich wie immer: Wer die Chancen sieht, findet auch Möglichkeiten für eine gewinnbringende Nutzung. Wer den Kopf in den Sand steckt, bekommt nicht mit, wenn der Zug abfährt. Viele dieser Tools lernen noch – genau wie wir. Es macht durchaus Sinn, sich bereits jetzt ein wenig mit den Perspektiven vertraut zu machen, die sich da bieten (werden). Aber wer sofort blind auf eine weitere intransparente Technologie aus San Francisco vertraut, bekommt nicht automatisch menschliche, lebendige, freundliche Texte zurück. Sondern bestenfalls Konfektionsware. Weil eben doch nicht jedes menschliche Anliegen sich mit einem Algorithmus beantworten lässt.

 

 

Autor und Ansprechpartner

 

Andreas Schielke
Senior Consultant und Trainer

schielke@imug.de
+49 511 12196 23

 

... ist ausgebildeter Lehrer und Geisteswissenschaftler. Viele Jahre war er Führungskraft und Trainer im Customer-Care. Für die imug Beratungsgesellschaft ist er als Senior-Berater und Trainer im Bereich imug|customer tätig. Er qualifiziert, trainiert und coacht Mitarbeitende im Service.

Als Berater analysiert bzw. optimiert er die Kommunikation für Unternehmen aus verschiedenen Branchen und entwickelt neue Service-Konzepte.

Auch einen Blick wert ...

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