16. April 2019

Divestment geht uns alle an!

Über Jahrzehnte hinweg waren Investitionen in fossile Brennstoffe einer der wichtigsten Treiber der weltweiten Aktienmärkte. Heute ist der Sektor keine „Blue Chip“-Investition mehr. Über 1.000 Investoren mit einem Kapital von 8 Billionen US-Dollar haben bereits ihre Investitionen aktiv aus den schädlichen fossilen Brennstoffen zurückgezogen. Was aber macht fossile Brennstoffe so riskant? Und was können Investoren tun, um die Risikoexposition ihres Portfolios zu verringern?

Klimawandel als eine der größten langfristigen Bedrohungen für Investitionen und Wohlstand

Der von der britischen Regierung in Auftrag gegebene und vom Ökonomen Nicholas Stern geleitete Bericht „The Economics of Climate Change“ stellte bereits 2006 fest, dass die Verringerung der CO2-Emissionen 1 Prozent des BIP pro Jahr kosten würde. Die Nichtbeachtung des Klimawandels dagegen könnte wirtschaftliche Schäden in der Größenordnung von bis zu 20 Prozent des BIP verursachen. Die wirtschaftlichen Auswirkungen liegen aber nicht nur in der fernen Zukunft. Extremwetterereignisse wie Hurrikane, Überschwemmungen und Dürren treten häufiger auf und wirken sich bereits jetzt auf Vermögenswerte aus: Wertminderung von Küstenimmobilien aufgrund von Überschwemmungen, Verluste in der Landwirtschaft aufgrund von Ernteeinbußen und Auswirkungen auf Bilanzen von Versicherungsgesellschaften.

Verantwortung bedeutet, neue und bestehende Investitionen auf Klimarisiken zu prüfen

Der Klimawandel ist ein Problem über Generationen hinweg und der Druck auf die Industrie wird immer höher. Kampagnen gegen fossile Brennstoffe sind gereift, Rechtsstreitigkeiten über den Klimawandel und andere Umweltfragen nehmen zu und erneuerbare Technologien sind auf dem Vormarsch:

Bei den „Friday for Future“-Protesten nehmen aktuell Millionen Schülerinnen und Schüler, Studierende, Wissenschaftler uvm. in 123 Ländern auf allen Kontinenten jeden Freitag an weltweiten Demonstrationen für mehr Klimaschutz teil. Seit mehreren Monaten klagt der BUND vor dem Verwaltungsgericht Köln gegen den Weiterbetrieb des umstrittenen Braunkohletagebaus Hambach. Mit dem Urteil vom 05.10.2018 hat die Naturschutzorganisation einen vorläufigen Rodungsstopp der Braunkohle bis 2020 erwirkt – was danach passiere, hat das Gericht beschlossen, müsse die Politik regeln. Die deutsche Bundesregierung sieht die Energiewende als zentral für eine sichere, umweltverträgliche und wirtschaftlich erfolgreiche Zukunft: Weg von fossilen Brennstoffen, hin zu erneuerbaren Energien. Laut Kohlekommission soll sich Deutschland bis 2038 von der Kohle verabschieden.

Wenn die deutsche Bundesregierung im Einklang mit ihren erklärten Klimazielen handelt und der Rodungsstopp in Hambach bestehen bleibt, würden die sich in der Erde befindenden Vermögenswerte ihren Wert verlieren. Es wird geschätzt, dass 80 Prozent der weltweit bekannten Reserven an Kohle, Öl und Gas nicht mehr verbrannt werden dürfen, bevor die Erderwärmung 2°C erreicht. Diese Reserven sind in der Bewertung der Aktien großer Kohle, Öl- und Gasunternehmen enthalten. Sie sind ebenso Bestandteil der Geschäftsstrategie von Versorgern und sie bilden darüber hinaus die Basis von Kreditverträgen.

Der tatsächliche Wert der verbliebenen fossilen Brennstoffvorräte wird also zunehmend spekulativer und die Aussichten für die zukünftige finanzielle Performance der fossilen Energieunternehmen sind mehr als getrübt. Divestment ist daher eine angemessene Reaktion sowohl aus gesellschaftlicher Verantwortung als auch aus finanzieller Sicht.

Investitionen bestimmen mit, ob der Kampf gegen den Klimawandel erfolgreich sein wird

Die im Rahmen des Pariser Abkommens vorgelegten Pläne zur Reduzierung der CO2-Emissionen werden alleine nicht ausreichen, um das 2°C Ziel bis 2030 zu erreichen. NGOs, Aktivist*innen, Aktionär*innen und Verbraucher*innen setzen den Klimawandel auf die Agenda der Asset-Eigentümer*innen und Investor*innen und fordern, Portfolios schrittweise zu dekarbonisieren. Die Liste der Institutionen, die bereits ihre Verbindungen zu dieser Branche abgebrochen haben, reicht von religiösen bis hin zu privaten und staatlichen Einrichtungen sowie philanthropischen Stiftungen. Selbst die Familie Rockefeller, Erbe des ersten großen Ölvermögens, hat ihre Anteile veräußert.

Gleichzeitig wird eine dekarbonisierte Weltwirtschaft große Investitionen in grüne Infrastruktur erfordern und private Investoren werden hier eine Schlüsselrolle spielen: Investitionen in nachhaltige und smarte Städte, effiziente Stromnetze und saubere Energie ist nun gefordert.  Die Nachfrage nach neuer Infrastruktur könnte im Zeitraum 2015 – 2030 90 Billionen US-Dollar übersteigen, so der Bericht der New Climate Economy „Better Growth, Better Climate“ von 2014. Die Welt gibt derzeit nur die Hälfte des Betrags aus, der benötigt wird, um das Ziel bis 2030 zu erreichen, schätzt die New Climate Economy. Private Investoren könnten einen Großteil der Lücke schließen, wenn sie die Bedrohung des Klimawandels in eine Chance für saubere Lösungen umwandeln.

Kirsten Hahn

Weitere Artikel