Too long; didn't read.


Kürzer geht es nicht: "Too long; didn`t read". Aber wenigstens wissen wir jetzt, dass unser Text zu lang war und deswegen nicht gelesen wurde. Häufig nämlich reagieren Menschen anderes:
Nicht lesen, nichts sagen. Gut, Problem erkannt - aber was können wir tun, wenn die Sache doch nun einmal kompliziert ist und einfach nicht in eine kurze Form passt?  

 

Das Allerwichtigste: Kurz geht nicht schnell. Es braucht sorgfältige Vorbereitung und eine sichere Hand, damit ein kurzer Text gelingt. Wer sich diese Arbeit nicht machen will, verlagert sie an die, die das lesen müssen: "Hier kommt ein Steinbruch. Schlag dir doch bitte mühsam heraus, was dir wichtig ist."

Es beginnt daher mit Fragen: Wer soll das lesen? Welchen Wissensstand darf ich voraussetzen - und vor allem: wieviel Interesse? Was mir total spannend und wichtig vorkommt, ist vielleicht für andere viel zu viel. Dazu gehört auch: In welcher Situation wird voraussichtlich gelesen? Gibt es Gefühle, Ängste, Sorgen, die wir berücksichtigen sollten? All das hat viel mehr mit Empathie zu tun, als die spröde Materie vermuten lässt, um die es gehen soll.

Und nun zur Sache: Klasse, dass wir uns so gut auskennen. Aber wodurch zeigt sich unsere Expertise? Durch viele komplizierte Sätze im Nominalstil? Durch möglichst unverständliche Fachwörter - am liebsten zusammengesetzt und ellenlang? Durch eine chaotische Struktur nach dem Motto: "Ach, da fällt mir noch was ein"? Und durch penibel aufgezählte Detail-Infos mit der Zielgruppe "Super-Nerd"?

Übrigens ist genau diese Gruppe oft gar nicht so real, wie wir denken: Es gibt sie schon, die nervigen Zeiträuber, die hinterher alles noch einmal ganz genau erklärt haben wollen. Vereinzelt. Und Fragen haben sie immer - egal, zu welchem Text. Warum also richten wir uns auf diese sehr seltene Lesehaltung aus? Fast immer kommen lange, unübersichtliche, chaotische Texte ohne echten Nutzwert dabei heraus. Und unsere tatsächliche Zielgruppe liest einfach nicht zu Ende: "tl;dr".

Auch hier hilft etwas Menschenfreundlichkeit weiter: Expert*innen können uns Sachverhalte so erklären, dass wir sie mit möglichst geringem Aufwand sicher verstehen können. Dass wir sie möglicherweise sogar interessant und nützlich finden. Dazu ist gar nicht so viel nötig: Gutes Handwerkszeug. Der empathische Blick durch die Brille von Nicht-Fachleuten. Und das Selbstbewusstsein, einfach mal etwas wegzulassen.

Autor und Ansprechpartner

 

Andreas Schielke
Senior Consultant und Trainer

schielke@imug.de
+49 511 12196 23

 

... ist ausgebildeter Lehrer und Geisteswissenschaftler. Viele Jahre war er Führungskraft und Trainer im Customer-Care. Für die imug Beratungsgesellschaft ist er als Senior-Berater und Trainer im Bereich imug|customer tätig. Er qualifiziert, trainiert und coacht Mitarbeitende im Service.

Als Berater analysiert bzw. optimiert er die Kommunikation für Unternehmen aus verschiedenen Branchen und entwickelt neue Service-Konzepte.

Auch einen Blick wert ...

Ganz schön harter Tobak, der Tonfall in dieser Beschwerde, oder? Bei aller Professionalität ist niemand davor sicher, eine Beschwerde persönlich zu nehmen. Vor allem nicht, wenn manche Formulierungen als unangemessen empfunden werden. Aber was sollte eigentlich gesagt werden? Was genau ist mit "Ihr seid doch ein Saftladen!" gemeint? Vielleicht: "Bitte hilf mir!"? Immerhin hat sich die Person ja gemeldet - wenn auch vielleicht nicht auf angenehme Weise. Sie gibt uns also eine Chance zu reagieren. Wir sollten sie nutzen - ganz ohne erhobenen Zeigefinger.

Wie kommen frische, verständliche und menschliche Texte eigentlich zustande? Die Amplitude der Ideen dazu ist erstaunlich.
Die einen möchten – nachdem der Senior endlich in den Ruhestand gegangen ist - erst einmal den steifen, schriftdeutschen und unpräzisen Nominalstil loswerden. Und können es gar nicht abwarten, endlich selbst loszulegen. Hier gilt es, die Kreativität in die richtigen Bahnen zu lenken.

 

Gerhard Richter, der Maler. Es gibt Bilder von ihm, die wirken wie Fotos. Wer aber ganz genau hinschaut, merkt: Es ist gar nicht so scharf wie gedacht. Das Signal ist gestört. Durch unerwünschte Informationen. Kunstvoll von Richter hinzugefügt. Das gibt es auch bei Texten, nur nicht so kunstvoll. Können Texte rauschen?
Ja. Und zwar genauso wie Bilder: Immer dann, wenn das Signal, die Botschaft, die Kernaussage nicht durchdringen.