Blog - Marktforschung für den grünen Finanzmarkt

Was ist eine nachhaltige Bank?


August 2021

Das Thema „Nachhaltigkeit“ ist in aller Munde. Spätestens seit die EU den Green Deal ausgerufen und „Sustainable Finance“ als zentralen Hebel für die Umsetzung definiert hat, überlegen viele Banken und Finanzinstitute, ob Nachhaltigkeit nicht doch eine zukunftsfähige Positionierung ist.

Unsere Antwort auf diese Frage lautet seit sehr vielen Jahren „Ja“. Nachhaltigkeit ist kein Modethema. Seit dem Pariser Klimaabkommen und der Unterzeichnung der SDG´s durch über 100 Staaten ist „Nachhaltigkeit“ auf der politischen Agenda ganz weit oben. Und „Sustainable Finance“ und “ESG“ sind die zentralen Begriffe, die den Weg hin zu einer nachhaltigen Bankenlandschaft in Deutschland und Europa aufzeigen.

 

Experten- versus Kundenurteil

Seit rund 20 Jahren wird in Expert*innenkreisen, dazu zähle ich Ratingagenturen, NGOs, Wissenschaftler*innen, aber zunehmend auch einzelne Vertreter*innen aus der Finanzwirtschaft darüber nachgedacht, was denn wohl eine „nachhaltige Bank“ ausmacht. Unsere Tochtergesellschaft imug | rating hat einen dezidierten Kriteriensatz im Einsatz, um aus Expert*innensicht zu bewerten, wie nachhaltig die jeweilige Bank ist.

Die zentrale Message: Es kommt auf das Kerngeschäft an.

Als imug | marktforschung hat uns jedoch neben dem Expertenurteil fast noch mehr interessiert, wie die normalen Bürger*innen und Bürger, gerne auch die Kund*innen und Nicht-Kund*innen der jeweiligen Bank auf die „Nachhaltigkeitsleistungen“ von Banken generell, oder von „ihrer Hausbank“ schauen.

Neben den Privatkund*innen, sind für die meisten Finanzinstitute selbstverständliche auch Geschäfts- und Firmenkund*innen, aber auch institutionelle Investor*innen oder auch Kommunen als „Kund*innen“ von zentraler Bedeutung. Auch ihre Erwartungen haben sich vor allem in Bezug auf das „nachhaltige Produktangebot“ (Green Loans, Green and Social Bonds, etc.) deutlich geändert.

 

Warum entscheiden sich Kund*innen für eine Hausbank?

Spricht man mit Vertriebler*innen in den Banken und Finanzinstituten ist es nach wie vor nicht einfach, sie davon zu überzeugen, dass es nicht nur gesellschaftspolitisch opportun, sondern betriebswirtschaftlich gesehen geradezu schlau ist, sich stärker als nachhaltige Bank zu positionieren.

Der Haupteinwand, den ich immer wieder mal höre: Nachhaltigkeit spielt keine dominierende Rolle, wenn es um die Entscheidung bei der Wahl einer Hausbank geht. Diese Entscheidung passiert entweder „automatisch“ oder sie wird anhand von klaren Vorteilen für Kund*innen getroffen: Eine Filiale liegt bei mir in der Nähe, hat ein gutes Image, der Service ist okay, die Preise, Kosten stören nicht.

Selbstverständliche wissen diese „Vertriebler*innen“, dass dies bei der GLS- oder die Umweltbank ganz anders aussieht. Hier trifft sich das dunkelgrüne Klientel, sagen sie. Aber für ein „normales Finanzinstitut“, so die Argumentation, das Angebote für möglichst große Kundengruppen, womöglich für alle Bürger*innen bereitstellen möchte, sieht das anders aus.

 

Ist die Entscheidung für eine Hausbank eine „bewusste“ Entscheidung?

In offenen Interviews haben wir Bürger*innen gefragt, ob sie kurz einmal erzählen wollen, wie sie zur ihrer jetzigen Bank gekommen sind. Die Hauptaussage: Einfach so. Die ersten, frühen Entscheidungen bei der Wahl einer Hausbank werden fast „automatisch“ getroffen. Bei Ortswechsel oder bei besonderen negativen Erfahrungen, findet auch schon mal ein Bankenwechsel statt. Dies geschieht dann mit deutlich mehr „Überlegung“. Und spielt bei diesen Überlegungen bei einem Bankenwechsel dann „Nachhaltigkeit“ eine Rolle? Das haben wir nicht nur in unseren Gruppendiskussionen, sondern auch in standardisierten repräsentativen Studien gefragt.

Bei 12% bis 25 % der befragten Kund*innen unterschiedlicher Banken und Finanzinstitute spielt das Thema Nachhaltigkeit im Falle eines Bankenwechsels eine sehr große oder eine große Rolle (Top 2 – Box, Quelle: verschiedene imug Studien 2015 bis 2021).

Ja, wir kennen die Einwände gegenüber solchen „Wechselbekundungen“. Wir kennen sie nicht nur wir beobachten und überprüfen sie seit Jahren. Übrigens auch in anderen Branchen. Die frühen Bekundungen „Bio“ zu präferieren waren häufig auch nur „Bekundungen“. Aber das reale Verhalten hat in vielen Branchen nachgezogen!

 

Hygiene- und Motivationsfaktoren einer nachhaltigen Bank

Wenn man aus der Sicht von Kund*innen befragt, was sie unter einer nachhaltigen Bank verstehen, entdeckt man sehr schnell das – in der Sprache der Marktforschung – eine „nachhaltige Bank“ ein Konstrukt ist. Viele Faktoren bestimmen aus der Sicht der Kunden, ob sie eine Bank als „nachhaltig“ ansehen oder auch nicht. Und fast jeder Befragte hat seine eigene Sicht auf das Großthema „Nachhaltigkeit“.

In einer Studie im Jahr 2007 haben wir herausgefunden das bestimmte Teilleistungen, die als CSR zusammengefasst werden, aus Sicht der Kund*innen als Bestrafungseigenschaften, andere jedoch als Belohnungseigenschaften verstanden werden müssen. (1)

Wir vermuten, dass eine solche Beurteilungsstruktur auch die Sicht auf eine mehr oder weniger „nachhaltige Bank“ prägt. Welche Faktoren / Eigenschaften einer Bank zahlen also auf das Urteil „Nachhaltige Bank“ ein?

Die Basics

  • Seriöse Unternehmensführung
  • keine Skandale, keine negative Berichterstattung
  • guter Datenschutz
  • Diversität auch in den Führungspositionen

Dies sind in unserer Sprache Hygienefaktoren. Wenn hier alles in Ordnung oder auch positiv ist, ist nichts gewonnen. Sobald in diesen Themen etwas hochkocht, rutscht die Bewertung „Nachhaltigkeit“ tief in Richtung Süden.

Die Hingucker

  • Grüne Sparbriefe mit transparentem Nachweis, wo das eingezahlte Geld angelegt wird
  • nachhaltige Wertpapiere
  • faire und aktive Beratung
  • spezielle Kredite für grüne Beschaffungen, Investitionen, Renovierungen, etc.
  • Förderung, Finanzierung grüner, digitaler Start Ups.

Das sind die wichtigsten „Profilierungsbringer“. Mit diesen Themen, so sie denn gut bespielt werden, kann ein nachhaltiges Profil aufgebaut werden. Immer wieder unklar und oft oszillierend wird die Leistung „Sponsoring, Förderaktivitäten“ von den Kund*innen bewertet. Hier hängt nach unseren Beobachtungen vieles von den konkreten Förderprojekten ab.

Die Glaubwürdigkeitsbringer

  • Energiesparen im alltäglichen Geschäftsbetrieb
  • klimaneutraler Geschäftsbetrieb
  • strenge Ausschlusskriterien bei den Eigenanlagen einer Bank

Diese Themen werden nur von „kritischen Geistern“ überhaupt beachtet, haben dann aber einen deutlichen Impact auf Vertrauen und Glaubwürdigkeit.

 

Das Kommunikations-Dilemma

Wir vermuten, dass dieses Verständnis einer „nachhaltigen Bank“ sich in den nächsten Jahren noch deutlich wandeln wird. Viel wird davon abhängen, wie Banken und Finanzinstitute ihre Nachhaltigkeitsleistungen kommunizieren. Wer sich hier vornehm zurückhält, weil man ja auch nichts falsch machen will, muss wahrscheinlich Nachteile in Kauf nehmen. Wer sich jedoch zu weit aus dem Fenster lehnt und die eigenen (nachhaltigen) Hausarbeiten nicht ordentlich gemacht hat, kann beträchtliche Risiken auf sich zukommen sehen. Sich grün geben und die eigenen „Basics“ nicht im Griff haben wird „bestraft“.


ANMERKUNGEN:

  1. Schoenheit, Wirthgen: CSR oder Preis? Die Präferenzen der Konsumenten. In: Hansen, Schoenheit, Corporate Social Responsibility, 2012, S. 219-229.

imug GmbH




Letzte Änderung: 02.08.2021